Boethius
Nach den neuen Theorien von Şebnem Yavuz ist der berühmte römische Philosoph Boethius (480 – nach 546) zusammen mit seiner Frau Rusticiana sowie seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Schöpfer der boethianischen Gesänge gewesen, die später von Papst Gregor dem Großen aufgegriffen, bearbeitet und in dieser veränderten Fassung dann als gregorianische Gesänge tradiert worden sind.
Auf die Boethius-Gruppe gehen nicht nur der formale Aufbau der Melodien, das inhaltlich-strukturelle Konzept und die später sogennanten Kirchentonarten, sondern auch die Notation zurück, und zwar sowohl die Verwendung der Neumenzeichen als auch die Buchstabennotation sowie ein Liniensystem.
Die boethanischen Gesänge wurden im 6. Jahrhundert in einem Zeitraum von etwa 20 Jahren in intensiver musikalischer Forschungsarbeit entwickelt. Es waren mystisch-spirituelle Gesänge mit tief religiösem Inhalt, die bei einer entsprechenden Vorbereitung eine enorme Wirkung im Menschen entfalten konnten. Die Überwindung menschlicher Grenzen und das Einswerden mit der göttlichen Schöpfung waren dabei das hohe Ziel.
Die Textinhalte der Gesänge widersprachen jedoch dem Dogma der römischen Kirche. Letztendlich wurden Boethius und die ihm nahe stehenden Personen kurz nach 546 als Häretiker hingerichtet, sämtliche Aufzeichnungen eingezogen und die Gesänge verboten.
Eine der Aufgaben, die sich Şebnem Yavuz gestellt hat, ist die Rekonstruktion der ursprünglichen boethianischen Gesänge, um sie den Menschen wieder zugänglich zu machen.